CD Reviews | CTD (Briefly Noted) | JFL (Dip Your Ears) | DVD Reviews

21.10.24

Kritikers Notizbuch: Martineaus Meisterkurs bei den Salzburger Festspielen


Meisterkurs • Martineau • Malcolm


Sänger von denen zu hören sein wird!

Malcolm Martineau und verschiedenartig gelagertes Gesangstalent


Was lernt man bei einem öffentlichen Meisterkurs? Die eigentliche Arbeit einer Meisterklasse – dieses Jahr beim Young Singers Project der Salzburger Festspiele wieder mit dem Schottischen Liedbegleiter Malcolm Martineau – findet ja davor, hinter den Kulissen statt. Die 15 Minuten pro Sänger die daraufhin in der Universitätsaula stattfinden sind da nur die Spitze des Eisberges. Es wird vorgesungen und Martineau findet etwas zu kritisieren; man singt hier ein bisschen schneller, dort langsamer, betont eine Phrase textnäher, formt einen Vokal von Hell zu Dunkel. Wunderbar, Danke, der Nächste bitte.

Aber auch in dieser beschränkten Zeit zeigt sich einiges. Zum Beispiel blitzt ein bisschen vom Charakter des Meisters oder der Meisterin auf. Gerade einige Sänger waren ja berühmt-berüchtigt dafür, sich als unangenehme Zeitgenossen zu entlarven, wenn sie nicht einmal (oder gerade vor) Publikum ihre Arroganz oder Bösartigkeit zurückhalten konnten oder wollten. Nicht nur vergleichsweise ist das Malcolm Martineau ein liebenswertes Engelchen; charmant, witzig, behutsam, keck. Er lobt, um dann eine Verbesserung vorzuschlagen; kein Korrigieren ohne nicht auch aufmunterndes zu sagen. Er bringt die Zuschauer oft zum Lachen (und genießt das auch), aber nie auf Kosten der Sänger… die oft genug mitkichern, wenn er einen witzigen Vergleich zieht oder, der Anschaulichkeit wegen, einen Manierismus übertreibt.

Die Stimmlagen waren, wohl nicht zufällig, gut gemischt. Die Qualität unterschiedlich. Ein feiner Spätstartertenor der noch etwas brav klingt, ein bemühter Bass (der schon in einer Mozart Matinee zeigen konnte, dass Potential in ihm steckt), eine sympathische aber dauerlaute Sopranistin, bei der man sich hofft, dass sie nicht schon zu früh zu viel gibt. Zwischen diesen Lagen Tamara Obermayr, eine schon erstaunlich fertige, Bühnensichere Mezzosopranistin die mit samtigem aber nie dumpfen Schmelz in der Stimme – zu gleichen Teilen Samt und Rauchquarz – in Fauré entzückte. Wenn Martineau moniert, es sei „zu schön“, dann muss man sich wohl keine Sorgen machen: Dagegen kann man etwas tun.
Und dann war da noch Egor Sergeev. Den in Russland geborenen Bariton mit dem zart-französischen Timbre hätte man am liebsten gleich eingepackt und auf die nächste Bühne gestellt. Ein Riesenlackl von Bursche, in der Stimme etwas von Gérard Souzay, die Physis eines jungen Bo Skovhus, von der Ausstrahlung etwas vom Charm eines Yannick Nézet-Séguin, scheint er fürs Theater geradezu geschaffen. Hell und sanft blühte seine rundum schön und kräftig klingende Stimme in Tschaikowskys „Otchego“ und Martineau hatte sichtlich Freude an der Arbeit mit so attraktivem Rohmaterial. Wir auch bald. [04.08.2024]




No comments: